It looks like you are visiting our website from within the U.S.

The securities mentioned on this website are not being offered, and will not be sold, within the United States or to, or for the account or benefit of, any U.S. person. Hence, we cannot grant access.

If you are not accessing the website from within the U.S., please contact us for support.
In order to investigate the issue, please provide your geographical location and the time when you tried to access this website.

  • Netherland: 0800 - 0221864 / infomarkets@gs.com
  • Belgium: 0800 - 81963 / infomarkets@gs.com
  • Germany: 0800 - 6746367 / zertifikate@gs.com
  • Switzerland: 044 - 2241144 / swisswarrants@gs.com
Home

InterviewRohstoffpreise in Zeiten der Rezession

Gary Shilling ist Präsident von A. Gary Shilling & Co., Inc. Zuvor arbeitete er bei der Federal Reserve Bank of San Francisco sowie für Merrill Lynch und Standard Oil Co. Im Interview mit „Top of Mind“ geht er entgegen vielfacher Erwartungen davon aus, dass die Preise von Energierohstoffen, Getreide oder Kupfer in absehbarer Zeit zurückgehen könnten. Er rechnet derzeit mit einer bevorstehenden weltweiten Rezession, deren Anfänge in den USA nach Wachstumsrückgängen im ersten Halbjahr 2022 bereits erkennbar seien. Die hier geäußerten Ansichten sind die des Interviewpartners und spiegeln nicht unbedingt die von Goldman Sachs wider.


Gary Shilling, President of A. Gary Shilling & Co., Inc.


War der Anstieg der Energie- und allgemeiner der Rohstoffpreise in diesem Jahr gerechtfertigt?

Gary Shilling: Der Anstieg der Rohstoffpreise in diesem Jahr war das Ergebnis eines klassischen Spekulationsrauschs. Zunächst trieben die Fundamentaldaten die Preise in die Höhe, als sich die Wirtschaft nach der Pandemie wieder erholte. Doch dann trieb die Spekulation die Preise weit über das hinaus, was die Fundamentaldaten rechtfertigen konnten.

Auf der Nachfrageseite steuern sowohl Nordamerika als auch Europa wahrscheinlich auf eine Rezession zu. Dies wird sich auch auf China auswirken, das bereits mit den anhaltenden Covid-Ausbrüchen und -Schließungen zu kämpfen hat. Zu rechnen ist mit einem Rückgang der Nachfrage bei für den Export bestimmten Industriegütern. Das wiederum wird sich auf die Nachfrage nach Öl, Kupfer und Eisenerz auswirken, die China aus Brasilien, Chile oder Argentinien importiert.

Auf der Angebotsseite führen die derzeit hohen Preise zu einer höheren Produktion, was wiederum im Laufe der Zeit zu niedrigeren Preisen führen dürfte. Hohe Preise sind der beste „Dünger“ für Agrarrohstoffe und für Rohstoffe im Allgemeinen. Die Landwirte in den USA und Kanada pflanzen als Reaktion auf die hohen Preise auf bisher ungenutzten Randstreifen Reihe um Reihe Getreide an. Die International Copper Study Group prognostiziert für dieses Jahr einen Überschuss von 328.000 Tonnen raffinierten Kupfers nach einem Defizit von 475.000 Tonnen im Jahr 2021.

Und sobald die Preise für einen Rohstoff zu fallen beginnen, sinken sie oft auch für andere, da Spekulanten dazu neigen, bei denselben Rohstoffgeschäften zur gleichen Zeit auf derselben Seite zu stehen. So könnten beispielsweise Spekulanten, die mit ihren Weizenpositionen große Verluste einfahren, gezwungen sein, ihre Kupferbestände zu verkaufen, um ihr Kapital zu erhalten.

Einige Beobachter haben argumentiert, dass die Anleger sich von Rohstoffen ferngehalten haben, weil sie in der Vergangenheit schlechte Renditen abwarfen, mit dem Stigma nicht ESG-konform und einer hohen und sich selbst verstärkenden Volatilität behaftet waren, sodass ihnen der Preisanstieg nicht angelastet werden kann. Was ist Ihre Antwort darauf?

Gary Shilling: Es stimmt zwar, dass viele institutionelle und private Anleger traditionell nicht in die Nähe von Rohstoffen gehen wollten, aber in diesem Jahr, als alles andere – Aktien, Anleihen, Fremdwährungen usw. – zusammenbrach, sind viele Anleger auf Rohstoffe umgeschwenkt. Sie sahen in den Rohstoffen ihre letzte Chance auf eine Long-Position, also auf Kursanstiege, und verfolgten einen „TINA“-, d.h. „There is no alternative“-Ansatz.

Infolgedessen flossen in diesem Jahr bis April 21 Milliarden US-Dollar in Rohstoff-ETFs, während in den ersten vier Monaten des vergangenen Jahres laut Morningstar 63 Milliarden US-Dollar abgeflossen sind. Obwohl dies im Rahmen des großen Marktes wenig ist, gibt es eindeutig Anleger, die mit Rohstoffen spekulieren.

Ist es nicht verfrüht, bei Rohstoffen pessimistisch zu sein, wenn man bedenkt, dass die physischen Märkte außerordentlich angespannt sind – was sich in sehr niedrigen Beständen und hohen physischen Prämien niederschlägt – und die meisten großen Volkswirtschaften immer noch wachsen, wenn auch mit geringerem Tempo?

Gary Shilling: Es ist immer möglich, dass man mit einer bärischen Entscheidung zu früh dran ist. Aber es ist erstaunlich, wie schnell sich die Bedingungen ändern können, und die Wirtschaft zeigt echte Anzeichen von Schwäche. US-Einzelhändler haben ihre Bestellungen als Reaktion auf überhöhte Lagerbestände zurückgefahren, nachdem sie irrigerweise mit großen Schlussverkäufen am Jahresende gerechnet hatten. Etwa ein Viertel des Rückgangs des realen BIP um 1,6 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres war auf den verlangsamten Aufbau von Lagerbeständen zurückzuführen. Und im zweiten Quartal war dieser Anteil noch größer, da die in den Häfen der Westküste entladenen Waren aus Asien ins Landesinnere gelangten. Der Rückstau an Schiffen in den Häfen von Long Beach und Los Angeles sank von 110 im Januar auf etwa 30 im Juli. Die Schrumpfung des realen BIP im zweiten Quartal markiert zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum, was nach Ansicht einiger Ökonomen eine Rezession darstellt. Aber natürlich läutet niemand eine Glocke, wenn eine Rezession beginnt. Es dauert eine Weile, bis das National Bureau of Economic Research, der Konjunkturbeobachter, eine Rezession erklärt. Aber die US-Wirtschaft befindet sich wahrscheinlich in oder kurz vor einer Rezession. Der jüngste Rückgang der Kupferfutures, die ein guter Indikator für die Gesundheit der Weltwirtschaft sind, liefert nur einen weiteren Beweis dafür. Kupfer wird schließlich in fast allen Produkten verwendet, von Computern über Maschinen bis hin zu Autos.

Selbst wenn sich die großen Volkswirtschaften in einer Rezession befinden oder kurz davor stehen, was unterscheidet diese Zeit von den 1970er Jahren, in denen die Rohstoffnachfrage trotz wirtschaftlicher Abschwünge stabil blieb?

Gary Shilling: Zwei Dinge trieben die Wirtschaft und indirekt auch die Rohstoffnachfrage in den 1970er Jahren an: der Krieg in Vietnam und Präsident Johnsons „Great-Society“-Programm. Heute gibt es jedoch keine ähnlichen Faktoren mehr, die einen anhaltenden Inflationsdruck erzeugen könnten. Die zunehmende Globalisierung seit den 1970er Jahren hat auch dazu geführt, dass die rohstoffintensive Produktion in Länder mit billigeren Arbeitskräften verlagert wurde, zunächst nach China und jetzt zunehmend in Länder wie Vietnam, was dazu beiträgt, die durchschnittlichen Produktionskosten niedrig zu halten. Die Welt ist heute also ganz anders als in den 1970er Jahren, und sie ist für eine anhaltend hohe Rohstoffnachfrage und Rohstoffpreise weniger förderlich.

Eine Rezession könnte die Rohstoffnachfrage zwar abschwächen, aber wird eine anhaltende Unterinvestition in das Angebot nicht letztendlich zu einem erneuten Rohstoffsuperzyklus führen, ähnlich wie in den 1970er und 2000er Jahren?

Gary Shilling: Ich sehe weder heute noch zu irgendeinem Zeitpunkt in den letzten 200 Jahren Anzeichen für einen Rohstoffsuperzyklus. Abgesehen von kurzen Anstiegen während Kriegszeiten und den Ölembargos der 1970er Jahre sind die Rohstoffpreise, gemessen am Index des Commodity Research Bureau (CRB), seit Mitte des 19. Jahrhunderts inflationsbereinigt um erstaunliche 83 Prozent gefallen. Ein erheblicher Teil dieses Rückgangs fand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt, einer Zeit enormer Rohstoffnachfrage aufgrund der amerikanischen industriellen Revolution und der forcierten Industrialisierung Japans. Das liegt daran, dass das Angebot wiederum schnell auf hohe Preise reagiert.

Jeder, der argumentiert, dass die Rohstoffknappheit von Dauer sein wird, schwimmt gegen den Strom, denn der menschliche Erfindungsreichtum schlägt die Knappheit jederzeit. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als seriöse Ökonomen glaubten, dass die Telekommunikationsbranche zum Stillstand kommen würde, weil es nicht genug Kupfer in der Erdkruste gebe, um alle notwendigen Kabel zu verlegen. Doch dann kam die Glasfasertechnik auf, die aus Silizium, dem zweithäufigsten Element der Erde, hergestellt wird. Technologische Innovationen werden es auch ermöglichen, die Vorräte effizienter zu nutzen, sodass in Zukunft weniger produziert werden muss. Herkömmliche Benzinmotoren setzen nur 10 bis 30 Prozent der im Benzin gespeicherten Energie in Leistung um, während der vergleichbare Wert für Elektrofahrzeuge bei über 70 Prozent liegt.

Sie glauben also nicht, dass der verstärkte Einsatz von Elektrofahrzeugen mittelfristig positiv für Kupfer ist, da es der beste Stromleiter der Erde ist?

Gary Shilling: Nein, denn selbst wenn wir zunehmend auf Kupfer angewiesen sein sollten, was noch nicht abzusehen ist, würde das Kupferangebot wahrscheinlich parallel zur Nachfrage steigen. Höhere Preise haben bereits die Rückgewinnung von Kupfer aus Minenabfällen – die nach der Kupfergewinnung aus Erzen zurückbleiben – vorangetrieben, was durch Auslaugungsprozesse zunehmend möglich wird. Auch das Recycling wird weiterhin eine wichtige Rolle bei der Erhöhung des Angebots spielen.

Im letzten Jahrzehnt wurden etwa 30 Prozent des weltweit verwendeten Kupfers durch Recycling gewonnen, und dieser Anteil wird wahrscheinlich auch in Zukunft hoch bleiben, da Kupfer zu 100 Prozent recycelbar ist. Die Erhöhung des Angebots an anderen Metallen, die für die Entwicklung von Elektrobatterien erforderlich sind – seltene Erden, Nickel, Kadmium und Lithium –, könnte politisch schwieriger sein, da China und Russland über einige der größten Reserven verfügen, aber ich sehe keinen Grund, warum die Produktion nicht wie in der Vergangenheit auf höhere Preise reagieren sollte.

Selbst wenn Sie davon ausgehen, dass hohe Preise Angebotsreaktionen bei Metallen und in der Landwirtschaft auslösen werden, sind der neue Fokus auf ESG und die Wende zu sauberer Energie nicht ein Grund, heute eine gedämpftere Reaktion des Energieangebots auf höhere Preise zu erwarten als in der Vergangenheit?

Gary Shilling: Um Sir John Templeton zu zitieren, sind die gefährlichsten Worte in der englischen Sprache „this time it‘s different“. Ich sehe keinen Grund, warum die Energieproduktion nicht auf höhere Preise reagieren sollte, so wie es in der Vergangenheit der Fall war. Einige mögen zwar argumentieren, dass der Fokus auf Klimawandel und ESG eine Reaktion des Angebots verhindern wird, aber in den über 50 Jahren, die ich in diesem Geschäft bin, war „dieses Mal ist es anders“ noch nie eine gute Anlagephilosophie.

Herr Shilling, vielen Dank für das Interview.

Quelle: Das Gespräch mit Gary Shilling erschien in englischer Sprache am 28. Juli 2022 in der Publikation „Top of Mind“, die von Goldman Sachs Global Investment Research herausgegeben wird.

Bitte beachten Sie, dass die darin getroffenen Aussagen keine Investmentempfehlungen sind und dass sämtliche Aussagen im Interview nicht notwendigerweise der Meinung von Goldman Sachs entsprechen.


Bitte beachten Sie unsere Hinweise zu Risiken, Disclaimer und Impressum, welche hier eingesehen werden können.


Fotonachweise: Adobe Stock – Bild 1: Icruci, Bild 2: oselote

Sofern nicht anders angegeben, ist Goldman Sachs die Datenquelle für Goldman Sachs-Produkte.
Sprache: de | en
Hotline: 0800 / 674 63 67
Version: 0.9.27