Die Erwartungen der Branche in Bezug auf autonome Fahrzeuge reichen von Optimismus über bevorstehende Durchbrüche bis hin zu Zweifeln, ob selbstfahrende Autos jemals in größerem Umfang auf die Straße kommen werden. Goldman Sachs Global Investment Research sieht Anzeichen dafür, dass sich Teilautomatisierung und assistiertes Fahren immer weiter verbreiten. Die Einführung vollautomatisierter Autos dauert länger als erwartet. Aber das Segment wird weiter wachsen und längerfristig einen größeren Teil des Marktes ausmachen.

„Unterm Strich nehmen wir an, dass verbesserte KI-Technologien der Branche helfen werden, ein höheres Leistungsniveau zu erreichen, obwohl wir auch glauben, dass die breite Einführung von autonomen Fahrzeugen (AV) im wahrscheinlichsten Szenario noch mindestens ein paar Jahre entfernt ist“, schreibt Mark Delaney, der sich bei Goldman Sachs Global Investment Research mit Automobilen und Industrietechnologien beschäftigt, in einem Bericht seines Teams.
Abb. 1: Erwartungen gesenkt
Der Chart zeigt die Prognose von 2022 und die neue Prognose von Goldman Sachs für die weltweite Verbreitung von autonomen Fahrzeugen mit den verschiedenen Automatisierungsstufen.

Quelle: Company Data, Goldman Sachs Global Investment Research
Bis 2030 könnten bis zu 10 Prozent der weltweiten Neuwagenverkäufe Fahrzeuge der Stufe 3 (siehe dazu Abb. 2) sein: selbstfahrende Autos, bei denen der Fahrer in bestimmten Situationen, z.B. auf einer Autobahn bei klarem Wetter, den Blick von der Straße und die Hände vom Lenkrad nehmen kann (die frühere Prognose lag bei etwa 12 Prozent). Der Absatz von vollständig autonomen Fahrzeugen – Stufe 4 – könnte im gleichen Zeitraum etwa 2,5 Prozent des Gesamtabsatzes ausmachen (gegenüber der früheren Prognose von etwa 3,5 Prozent).
Gleichzeitig prognostiziert das Team, dass der Anteil teilautonomer Fahrzeuge der Stufen 2 und 2+, die vom Fahrer überwacht werden müssen, von etwa 20 Prozent in diesem Jahr auf etwa 30 Prozent im Jahr 2027 ansteigen wird (die vorherige Prognose lag bei etwa 24 Prozent).
Abb. 2: Grad der Autonomie von Fahrzeugen

Quelle: SAE, NHTSA, Company Data, Goldman Sachs Global Investment Research
Die Prognose impliziert auch, dass bis 2030 eine globale Flotte von einigen Millionen kommerziellen autonomen Fahrzeugen für Fahrgemeinschaften genutzt wird. Das ist zwar nur ein Bruchteil der gesamten weltweiten Anzahl an Autos, würde aber einen Markt von mehr als 25 Milliarden Dollar für Robotaxis bedeuten.
Wie KI die Verbreitung selbstfahrender Autos ankurbeln kann
Obwohl es jetzt einige autonome Fahrzeuge auf den Straßen gibt (in Märkten wie San Francisco, Phoenix, Wuhan und Peking), muss die Technologie erst noch weiter verbreitet sein. Während 60 Prozent der aktuell vorhandenen Fahrzeuge über ein gewisses Maß an Fahrerassistenz verfügen, wird erwartet, dass nur 1 bis 2 Prozent aller weltweit verkauften Fahrzeuge im Jahr 2026 über Funktionen der Stufe 3 verfügen.
Höhere Stufen der Fahrautomatisierung wurden aufgrund technologischer Einschränkungen sowie regulatorischer und geschäftsmodellbezogener Überlegungen langsamer umgesetzt, als von Goldman Sachs Global Investment Research im Jahr 2022 prognostiziert.
Allerdings gibt es auch Anzeichen dafür, dass Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz die Einführung von Fahrzeugen, die wesentlich autonomer sind, beschleunigen könnten. „Die Forschung zur Skalierung von KI legt nahe, dass zusätzliche Computer, größere Trainingsdatensätze und verbesserte Modellarchitekturen zu einer besseren Leistung von KI-Modellen beitragen sollten“, schreiben die Analysten von Goldman Sachs.
Geringere Hardwarekosten sind ein weiterer möglicher Grund für die zunehmende Verbreitung von autonomen Fahrzeugen. Fahrerassistenz- und vollautonome Fahrzeuge verwenden Dutzende von Kameras, Sensoren und in einigen Fällen Lidar-Geräte (Light Detection and Ranging, Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung, Red.). Beispielsweise verwendet ein bestimmtes Level-2+-Auto auf der Straße heute acht Kameras, während ein bestimmtes Level-4-Fahrzeug 29 verwendet. Wenn die Kosten dieser Komponenten sinken, werden AVs billiger und effizienter.
Diese Beschleunigung der Verbreitung von autonomen Fahrzeugen könnte eine Reihe von Aktien in einer Reihe von Sektoren ankurbeln, darunter Chiphersteller, Mitfahrunternehmen, Entwickler von Technologien des autonomen Fahrens sowie einige Autohersteller.
Goldman Sachs Global Investment Research sieht noch weiter in die Zukunft blickend ein Bull-Case-Szenario, in dem die Verkäufe von autonomen Fahrzeugen (Automatisierung Level 3 oder höher) im Jahr 2040 etwa 60 Prozent aller Verkäufe von leichten Fahrzeugen ausmachen. Selbst in einem weniger optimistischen Szenario werden AVs wahrscheinlich fast 40 Prozent der Neuverkäufe ausmachen.
Wie selbstfahrende Autos das Ridesharegeschäft verändern werden
Die höchsten Akzeptanzraten für autonome Fahrzeuge werden in China erwartet, wo bis 2040 90 Prozent aller Verkäufe auf autonome Fahrzeuge der Stufen 3 oder höher entfallen könnten. Laut den Analysten von Goldman Sachs könnten bis 2040 fast 80 Prozent aller Autoverkäufe in Europa und etwa 65 Prozent aller Autoverkäufe in den USA fortschrittliche autonome Fahrzeuge sein.
Abb. 3: Höhere Durchdringung mit autonomen Fahrzeugen
Der Chart zeigt die voraussichtliche Zunahme in den wichtigsten Volkswirtschaften. Zusammengefasst sind Schlüsselregionen der Verbreitung von Fahrzeugen mit Automatisierungsgraden von 3, 4 und 5.

Quelle: Company Data, Goldman Sachs Global Investment Research
Es wird erwartet, dass eine große Anzahl dieser Fahrzeuge von Ridesharingunternehmen eingesetzt wird. Das Kostenmodell macht es für solche Unternehmen zunehmend attraktiv, auf selbstfahrende Autos umzusteigen. Goldman Sachs Global Investment Research kommt zu dem Schluss, dass die Fahrkosten für Robotaxis derzeit bei schätzungsweise 3,13 US-Dollar pro Meile liegen, bis 2030 aber auf weniger als 1 Dollar pro Meile und bis 2040 auf 58 Cent pro Meile sinken könnten. Die Kosten für Robotaxis, die die Gemeinkosten des Unternehmens sowie Forschungs- und Entwicklungskosten einbeziehen, sind deutlich höher, werden aber von geschätzten 184 Dollar pro Meile für ein Fahrzeug im Jahr 2024 auf etwa 12 Dollar pro Meile im Jahr 2030 (und rund 1 Dollar im Jahr 2040) sinken.
Da die Ridesharebetreiber ihre AV-Flotten vergrößern, erwarten die Analysten von Goldman Sachs eine allmähliche Verschiebung der Angebotsstruktur von einem stark fragmentierten (d.h. Millionen von Einzelfahrern) zu einem konsolidierten Angebot (d.h. einer Handvoll AV-Flottenbetreiber). Aber selbst wenn autonome Fahrzeuge in den nächsten drei bis fünf Jahren schrittweise in bestimmten Regionen eingesetzt werden, werden sie wahrscheinlich als zusätzliches Angebot für bestimmte Strecken dienen und nicht die einzige Option sein.
Goldman Sachs Global Investment Research merkt an, dass die profitabelsten Strecken aus Sicht der AV-Technologie oft die komplexesten sind (z.B. Abhol- und Bringdienste an Flughäfen, Abhol- und Bringdienste in der Nacht bei Nachtleben in überfüllten Straßen). Kurz- bis mittelfristig dürfte ein hybrides Modell, das autonome Fahrzeuge und menschliche Fahrer kombiniert, eine weitverbreitete Verfügbarkeit von Fahrzeugen und ein besseres Nutzererlebnis für die Fahrgäste gewährleisten.
Dieser Artikel wird ausschließlich zu Informationszwecken zur Verfügung gestellt. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen stellen keine Empfehlung einer Goldman Sachs-Einheit für den Empfänger dar, und Goldman Sachs erteilt weder durch diesen Artikel noch für den Empfänger eine Finanz-, Wirtschafts-, Rechts-, Anlage-, Buchhaltungs- oder Steuerberatung. Weder Goldman Sachs noch eines seiner verbundenen Unternehmen gibt eine ausdrückliche oder stillschweigende Zusicherung oder Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der in diesem Artikel enthaltenen Aussagen oder Informationen, und jegliche Haftung (einschließlich in Bezug auf direkte, indirekte oder Folgeschäden) wird ausdrücklich abgelehnt.
Quelle: Dieser Beitrag erschien am 18. August 2024 auf www.goldmansachs.com unter dem Titel „Partially autonomous cars forecast to comprise 10% of new vehicle sales by 2030“ im Bereich Insights/Articles. Bitte beachten Sie, dass die darin getroffenen Aussagen keine Anlageempfehlungen darstellen.
Bitte beachten Sie unsere Hinweise zu Risiko, Haftungsausschluss und Impressum, die Sie hier finden.
Fotonachweise: Adobe Stock – Bild 1: kinwun, Bild 2: Andrey Popov